Ethische Fragestellungen

Ethische Fragestellungen, Konzepte und Theorien in Philosophie und Literatur des 18. Jahrhunderts

Bearbeitung: Olav Krämer

Zu der Entwicklung ethischer Konzepte und Theorien im 18. Jahrhundert sind in der Philosophie- und Ideengeschichtsschreibung verschiedene Darstellungen vorgelegt worden, die unterschiedliche Themen, Probleme und Tendenzen als Hauptstrang dieser Entwicklung beschreiben. Als eine solche Hauptlinie hat man etwa den Geltungsverlust religiöser Moralbegründungen und das daraus resultierende Begründungsproblem dargestellt; oder den Aufstieg eines neuen Konzepts der Autonomie des Individuums; oder einen Konflikt zwischen Kausalität und Normativität, also zwischen dem verstärkten Interesse an der kausalen Determiniertheit menschlichen Verhaltens und der gleichzeitigen Geltendmachung normativer Forderungen; schließlich die Hervorbringung neuer, wirkungsmächtiger ethischer Ideale wie etwa des Ideals der Authentizität. Mehrere dieser Thesen über die Grundzüge der moralphilosophischen Reflexion im 18. Jahrhundert sind auch in der Literaturwissenschaft aufgegriffen und als Rahmenannahmen für literaturgeschichtliche Analysen verwendet worden.

In dem Forschungsprojekt soll zunächst untersucht werden, wie sich die genannten historiographischen Thesen zueinander verhalten, ob sie also einander widersprechen oder – eventuell in leicht modifizierter Form – miteinander vereinbar sind. Eine Ausgangsvermutung lautet, dass die meisten dieser Ansätze zutreffend bestimmte Aspekte der moralphilosophischen Diskussionen des 18. Jahrhunderts erfassen, dass aber die Auszeichnung einer Tendenz oder eines Problems als der Hauptachse der Debatten häufig problematisch ist. Die Vielfalt der vorliegenden Deutungen legt den Verdacht nahe, dass die ethischen Diskussionen des 18. Jahrhunderts zu vielsträngig sind, als dass sie sich auf einen Fluchtpunkt hin ordnen ließen. In der kritischen Prüfung der existierenden Forschungspositionen soll im Rückgang auf die Quellen versucht werden, die einzelnen Stränge der Diskussionen genauer zu beschreiben; dabei sollen vor allem die spezifischen Fragestellungen herausgearbeitet werden, von denen die philosophischen Reflexionen ihren Ausgang nehmen, so dass dann verfolgt werden kann, in welchem Maße die Erörterungen dieser Fragen – etwa nach den Pflichten und Rechten des Menschen, nach dem Weg zum glücklichen Leben, nach den Mitteln der moralischen Erziehung, nach den Geltungsgründen der Moral – getrennt voneinander verlaufen oder wie sie miteinander verbunden werden.

In Verbindung mit dieser Analyse der philosophischen Diskussion soll untersucht werden, wie sich die Beziehungen zwischen ihnen und der Literatur desselben Zeitraums beschreiben und systematisieren lassen: welche Fragestellungen also auch in der Literatur thematisiert werden und was für ihre literarische Behandlung spezifisch ist. In diesem Zusammenhang ist auch grundsätzlich die Frage zu stellen, in welchem Maße die Auseinandersetzungen mit ethischen Themen in der Literatur von der Philosophie den Fluchtlinien der philosophischen Diskussion folgt und ob es sich anbietet, die literarischen Entwicklungen anhand eines für die Philosophie entworfenen historiographischen Rasters zu ordnen.

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Kontakt: Olav Krämer