Begriffe, Metaphern und Imaginationen in Philosophie und Wissenschaftsgeschichte (60. Wolfenbütteler Symposion)
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 21.-24.06.2006
Leitung: Lutz Danneberg und Margarita Kranz
Mit dem Abschluß des Historischen Wörterbuchs der Philosophie und einiger jüngerer begriffsgeschichtlicher Unternehmen in Einzeldisziplinen hat sich der Stand und auch die Aufgabe der Begriffsgeschichte gegenüber den Anfängen in den 60iger Jahren erheblich verändert. Damals suchte sie als eine neue historiographische Disziplin auf dem Felde der Philosophiegeschichte in Abgrenzung von Ideen- und Problemgeschichte ihren Platz; in der Geschichtswissenschaft wurde sie zu einem gänzlich neuen, in der Folge vieldiskutierten Paradigma. In den heutigen Forschungen um Wissenskonstitutionen und Wissenswandel ist Begriffsgeschichte unverzichtbar geworden. Doch ebenso gewiß ist, daß sich nicht allein anhand des Blicks auf die Begriffsgeschichte die aufgeworfenen Fragen zur Dynamik von Wissen klären lassen. Das Symposium stellt daher zwei andere Elemente gleichwertig an die Seite der Begriffe: Metapher und Imagination.
Die zuweilen unscharfe Grenze zwischen Begriff und Metapher in philosophischen Texten mag dazu verleiten, den Metapherngebrauch analog zum Begriffsgebrauch in seinen historischen Wandlungen zu untersuchen und dies als eine Weiterführung bisheriger begriffgeschichtlicher Unternehmungen aufzufassen. Die Unterschiede sind jedoch erheblich: weder lassen sich bei ihnen analytische (semantische) Unter- und Überordnungen, noch szenarien- oder schemaorientierte Nebenordnungen vollziehen; Teilmetaphern lassen sich nicht zu übergreifenden Großmetaphern zusammenschließen, um herauszustellen, was ‚mitgemeint’ ist. Auch dem dritten Element, den Imaginationen (etwa Gedankenexperimenten), kommt in bestimmten Kontexten Argumentcharakter zu. Das kann sogar dann der Fall sein, wenn die Imaginationen in ihrem argumentativen Kontext ausdrücklich als kontrafaktisch präsentiert werden. Im Vergleich zu Begriff und Metapher bildet die kontrafaktische Imagination genau die Mitte: Wie die begriffliche Darstellungsweise ist die kontrafaktische nichtmetaphorisch, aber ihr fehlt der explizite Wahrheitsanspruch. Wie die Metapher ist sie offenkundig falsch, aber ihren kontrafaktischen Charakter verliert sie nicht durch Metaphorisierung.
In dem Symposium soll es angesichts der komplexen Präsentation von Wissensansprüchen in argumentierenden Kontexten sowie der verschieden Muster der Verhandlung ihrer Geltung um das (spannungsreiche) Zusammenspiel von Begriff, Metapher und Imagination gehen. Folgende Themenbereiche werden im Rahmen des Symposiums untersucht:
1. Begriffsgeschichte an ihren Grenzen zur ‚Metapherngeschichte’
2. Anachronismus und das Problem der rationalen Rekonstruktion
3. Formen der (kontrafaktischen) Imagination und ihre Funktionen im 17. und 18. Jh.
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