Wissen in Literatur: Wahrscheinlichkeit und fiktionale Welten

Bearbeitung: Lutz Danneberg und Carlos Spoerhase

Das Projekt befasst sich mit der für die moderne Welt wesentlich gewordenen Form des Wissens, dem unsicheren, ‚nur‘ wahrscheinlichen und unscharfen Wissen, das gerade für die Erzeugung neuen Wissens ebenso konstitutiv wie für die Herausbildung des neuzeitlichen Wahrscheinlichkeits- und Objektivitätsbegriffs ist. Gegenstand sind die epistemologischen und methodologischen Dimensionen des Umgangs mit Gewissheitsverlusten und -mängeln in den Naturwissenschaften und deren Verbindung zur Konstruktion fiktionaler Welten in der Literatur. Die Untersuchung von Theorien der Wahrscheinlichkeit im Zeitraum ab 1600 soll die Erschließung von Konzeptualisierungen ‚unsicheren‘ oder ‚schwachen‘ Wissens erlauben und damit in das Zentrum spezifisch moderner Wissensformen führen, die noch für unsere gegenwärtige Wissensgesellschaft maßgeblich sind. Das Vorhaben nimmt Impulse aus etablierten  Forschungsrichtungen verschiedener Disziplinen von der Wissenschaftsgeschichte, der Philosophiegeschichte, Medizingeschichte, Rechtsgeschichte, Theologiegeschichte und politischen Ideengeschichte bis zur Literaturgeschichte auf, um durch intensive kooperative Arbeit an historischem Quellenmaterial unter dem Aspekt unsicheren Wissens bislang unerforschte Gebiete zu erschließen und die Forschung über unsicheres Wissen auf eine breitere Basis zu stellen. Dabei sollen sowohl die ‚Leitthesen‘ angloamerikanischer Provenienz am historischen Material überprüft werden, als auch die bisherige Forschung für philologische, vor allem hermeneutische, rhetorische und poetologische Fragestellungen fruchtbar gemacht werden. Geklärt werden soll die Frage, in welchem Verhältnis das moderne Fiktionalitätsverständnis, das die Entstehung des modernen Romans mit intensiven poetologischen Reflexionen begleitet, zu Konzeptionen der Wahrscheinlichkeit in ihren epistemologischen, hermeneutischen, rhetorischen und poetologischen Aspekten steht. Das Projekt verfolgt die parallele Entstehung des modernen Wahrscheinlichkeitsbegriffs und des modernen Fiktionalitätsbegriffs in dem Zeitraum ab 1600 mit der speziellen Absicht, anhand der Erforschung des Problemfeldes von unsicherem Wissen und fiktionalen Welten die komplexen wechselseitigen Austauschprozesse zwischen sciences, humanities und arts in ihrem historischen Wandel zu rekonstruieren.

Carlos Spoerhase, Lutz Danneberg, Wissen in Literatur: Kann es epistemische Situationen geben, in denen Wissen in Literatur ist und in denen Literatur Wissen überträgt? Überlegungen zur systematischen Pragmatik von Wissenszuschreibungen

 

Kontakt: Lutz DannebergCarlos Spoerhase