Bearbeitung: Toni Bernhart
Unter Quantitativer Literaturwissenschaft lassen sich zählende, messende,
mathematische, statistische, empirische und computergestützte Verfahren
zusammenfassen, sofern sie für die Analyse und Interpretation von Literatur
Verwendung finden. In der germanistischen Literaturwissenschaft gibt es
bislang keine theorie-, wissenschafts-, methoden- oder fachgeschichtliche
Forschung, die sich umfassend, systematisch und diachron mit der Anwendung
quantitativer Verfahren für die Analyse und Interpretation von Literatur
beschäftigt. Dem gegenüber stehen die Beobachtungen, dass quantitative
Verfahren seit etwa zwei Jahrhunderten im Methodenrepertoire der
Literaturwissenschaften vorhanden sind und gegenwärtig im Rahmen der Digital
Humanities in den Fokus eines breiten Interesses rücken.
Das Projekt verfolgt die Ziele, 1. die Geschichte der Verwendung
quantitativer Verfahren in der (germanistischen) Literaturwissenschaft zu
rekonstruieren, 2. quantitative Verfahren mit Blick auf (jeweils
zeitgenössische) Problem- und Fragestellungen zu systematisieren und 3. sie
fachgeschichtlich, theoretisch, methodologisch sowie komparatistisch zu
kontextualisieren. Das Projekt wird zunächst einen wissenschaftshistorischen
Abriss unternehmen und die drei Kulminationsphasen quantitativer Methoden
herausarbeiten: die Dekaden um 1900, die Zeit zwischen etwa 1950 und 1980
und die Zeit ab etwa 2000. Daran anschließend wird näher untersucht, welche
literaturwissenschaftlichen Probleme zu welcher Zeit bevorzugtermaßen
mithilfe welcher quantitativen Verfahren bearbeitet werden. Eine wichtige
Rolle spielt dabei die Frage nach den Umständen und Voraussetzungen, die
Verwendungshäufungen quantitativer Verfahren begünstigen oder ihnen
entgegenwirken. Der Fokus liegt auf der germanistischen
Literaturwissenschaft, die unter dem Gesichtspunkt der Verwendung
quantitativer Verfahren aber auch zu anderen Philologien in Bezug gesetzt
werden soll. Diese komparatistische Sicht trägt dazu bei, die
Projektergebnisse auf eine solidere wissenschafts- und
methodengeschichtliche Basis zu stellen, anderen Philologien
Anschlussmöglichkeiten zu bieten sowie den theoretischen und
theoriegeschichtlichen Verständnishintergrund der Digital Humanities
auszuleuchten.
Verknüpfungen
Vorarbeiten
Toni Bernhart: Die Vermessung der Farben in der Sprache. Zur
Berlin-Kay-Hypothese in der Literaturwissenschaft. In: Zeitschrift für
Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi) 150 (2008), S. 56-78.
Toni Bernhart: Quantitative Literaturwissenschaft am Beispiel der
Farbsemantik. In: Martin Huber, Simone Winko (Hg.): Literatur und Kognition.
Bestandsaufnahmen und Perspektiven eines Arbeitsfeldes (Poetogenesis 6).
Paderborn: mentis 2009, S. 217-234.
Toni Bernhart: „Von Aalschwanzspekulanten bis Abendrotlicht“. Buchstäbliche
Materialität und Pathos im „Häufigkeitswörterbuch der deutschen Sprache“
(1898) von Friedrich Wilhelm Kaeding. In: Ralf Klausnitzer, Carlos Spoerhase
und Dirk Werle (Hg.): Ethos und Pathos der Wissenschaften. Studien zur
wissenschaftlichen Persona zwischen 1750 und 1930. (Im Erscheinen.)
Kontakt: Toni Bernhart