Nationale Spezifika und internationale Aspekte der Wissenschaftsentwicklung

Workshop im Rahmen der Forschergruppe Narratologie (FGN) an der Universität Hamburg

Forschergruppe Narratologie, Rothenbaumchaussee 34, 20148 Hamburg, 16.-17. Juni 2006

Die literatur- und sprachwissenschaftlichen sowie die anderen kulturwissenschaftlichen Disziplinen sind – auch wenn bestimmte Unterschiede nicht ausgeblendet werden sollten – nicht weniger international ausgerichtet als die naturwissenschaftlichen Fächer. Dieser Befund trifft insbesondere auf ein schon von den Grundlagen her so eminent inter- und transdisziplinär konzipiertes Unternehmen wie die Erzähltheorie (Narratologie) zu. Denn ihre inter- und transdisziplinäre Basis ist es vor allem, die sie international anschluß- und austauschfähig macht. Nicht zu übersehen ist dabei, daß der Wissensschaftsaustausch – das Anerkennen oder Zurückweisen von Wissensansprüchen – keineswegs gleichmäßig verteilt erfolgt, sondern sich Zentren herausbilden, die die internationale Diskussion dominieren, und Peripherien, die weitgehend aufnehmend sind und auf solche Zentren bezogen bleiben.

Die Produktion, Distribution und Rezeption von Wissenssystemen vollzieht sich in unterschiedlichen nationalen und internationalen sozialen Räumen, die sowohl die Form als auch den kognitiven Gehalt von Theorien mitunter stark mitstrukturieren, ihre Durchsetzung begünstigen oder behindern. Das wird besonders deutlich, wenn man Transferprozesse von Theorien verfolgt. Als Regelfall darf man annehmen, daß Theorien weitgehend losgelöst vom wissenschaftskulturellen Kontext ihrer Genese weitergereicht und aufgenommen werden. Im Prozeß ihrer Vermittlung und Aneignung stellen sich dann unweigerlich ‚Vermittlungs- und Rezeptionsverluste‘ ein, die durch Umdeutung, Anpassung und Re-Kontextualisierung wieder ausgeglichen werden müssen.

Wissenschafterforschende Disziplinen wie Wissenschaftstheorie, Wissenschaftssoziologie oder Wissenschaftsgeschichte haben eine Reihe von Verfahren und Konzepten zur Untersuchung von Wissenschaftsprozessen erörtert und erprobt. Gelegentlich ist jedoch die Klage zu vernehmen, daß dabei zu oft nur ein eng begrenztes Spektrum von Voraussetzungen und Konstellationen der Wissenschaftsentwicklung ausgewählt und für die Untersuchungen herangezogen wird. Eher selten hingegen sind Versuche, die unterschiedlichen am Wissenschaftsprozeß beteiligten Faktoren (Theorien, Institutionen, Personen sowie die Kommunikationswege und -mittel) auf den Ebenen der Produktion, Vermittlung und Aneignung aufeinander zu beziehen und für die Erforschung der Wissenschaftsentwicklung fruchtbar zu machen, ohne daß dabei die Wissensinhalte allzusehr in den Hintergrund treten.

Dieser Workshop soll Gelegenheit bieten, Bedingungen und Möglichkeiten integrativer Ansätze zur Untersuchung von Wissenschaftsprozessen zu diskutieren und wichtige Faktoren der Wissenschaftsentwicklung zu benennen und kritisch zu beleuchten. Während der erste Teil dieser Tagung im Spannungsbogen zwischen ’nationaler Spezifika und internationaler Aspekte‘ sich übergreifenden Fragestellungen der Wissenschaftsentwicklung widmen wird, soll im zweiten Teil unter diesem Gesichtpunkt die Entwicklung der Narratologie in den letzten zwanzig Jahren aus unterschiedlichen Perspektiven zur Diskussion gestellt werden.

Die Arbeitstagung ist als Diskussionsveranstaltung konzipiert. Um einen möglichst intensiven Gedankenaustausch zu ermöglichen, soll den jeweiligen thematischen Diskussionen ein Kurzreferat von zehn bis 15 Minuten vorangehen.

Kontakt: Wilhelm Schernus

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