Das Lehrgedicht im 18. Jahrhundert

Bearbeitung: Olav Krämer

Das 18. Jahrhundert war einer weithin akzeptierten Forschungsmeinung zufolge die letzte ‘Blütezeit’ des Lehrgedichts: die bislang letzte Phase der europäischen Literaturgeschichte, in der diese Gattung von vielen Autoren praktiziert, von der Mehrzahl der Dichtungstheoretiker akzeptiert und auch vom Publikum in hohem Maße geschätzt wurde. Ziel des Forschungsprojekts ist es, Grundlinien der Entwicklung des Lehrgedichts in der deutschen, englischen und französischen Literatur im 18. und frühem 19. Jahrhundert nachzuzeichnen, diese Entwicklungen miteinander zu vergleichen und einen Erklärungsansatz für den Aufstieg, die Wandlungen und schließlich den ‘Niedergang’ dieser Gattung im behandelten Zeitraum zu entwerfen.

In der Forschung ist bisher nur ein kleiner Teil der zahlreichen Lehrgedichte jener Zeit eingehender analysiert worden. Doch abgesehen davon, dass man es hier mit einer historisch bedeutsamen, aber von der Literaturwissenschaft tendenziell vernachlässigten Gattung zu tun hat, ist eine Untersuchung der Entwicklungen des Lehrgedichts im 18. und frühen 19. Jahrhundert auch von allgemeinerem Interesse: Diese Entwicklungen, so eine Ausgangsannahme der Arbeit, werfen ein Licht auf umfassendere Veränderungen, denen die Auffassung vom Verhältnis zwischen Poesie und Wissen in der behandelten Zeit unterworfen war. Die Vermittlung von Wissen galt meist als die zentrale, geradezu konstitutive Aufgabe des Lehrgedichts; aber im Laufe des 18. Jahrhunderts wandelten sich sowohl die Art des Wissens, das man in Lehrgedichten zu vermitteln suchte, als auch die Funktionen, die man der poetischen Form bei dieser Wissensvermittlung zuschrieb, und schließlich die Verfahren der Exposition und Argumentation innerhalb der Gedichte. Die geplante Untersuchung soll diese Veränderungen nachzeichnen und Ansätze zu ihrer Erklärung erarbeiten.

Der komparatistische Ansatz des Projekts trägt den Tatsachen Rechnung, dass es im 18. Jahrhundert mehrere didaktische Gedichte gab, die über nationale Grenzen hinweg als Muster wirkten, und dass etwa die Entwicklung des deutschen Lehrgedichts im 18. Jahrhundert stark durch englische und französische Beispiele beeinflusst war. Außerdem kann die vergleichende Betrachtung bei dem Versuch, die – teils parallel, teils divergierend verlaufenden – Veränderungen des Lehrgedichts in den verschiedenen nationalen Kontexten zu erklären, heuristisch wertvoll sein.

Vorarbeit

Krämer, Olav: Habilitationsschrift 2016 (Manuskript)

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Kontakt: Olav Krämer

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